Unternehmen dürfen Gewerkschaften Herausgabe von Mailadressen verweigern

Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, der für ihn tarifzuständigen Gewerkschaft die dienstlichen E-Mail-Adressen seiner Arbeitnehmer zum Zweck der Mitgliederwerbung herauszugeben. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. Geklagt hatte die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) gegen Adidas.
vom 31. Januar 2025
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Gewerkschaften sind daran interessiert, neue Mitglieder zu werben, das ist legitim. Für sie ist es im Zuge der Digitalisierung grundsätzlich schwieriger geworden, an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heranzukommen. Damit einhergegangen ist eine starke Veränderung des Arbeitsalltages, viele Menschen haben mittlerweile die Chance, von einem anderen Ort als dem Sitz ihrer Firma ihre Dienstpflichten zu erbringen. Der bekannte Sportartikelhersteller Adidas ist in einem weltweit aufgestellten Verbund tätig und beschäftigt rund 5.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein großer Teil der betriebsinternen Kommunikation läuft digital ab, unter anderem via Mail, die von Microsoft entwickelte Anwendung Viva Engage und das Intranet. Die meisten Beschäftigten verfügen über eine namensbezogene E-Mail-Adresse. Die IG BCE war der Meinung, dass Adidas ihr für die Mitgliederwerbung aktiv einen Zugang zu den Kommunikationssystemen einräumen müsse, also die Mailadressen zu übermitteln. Sie habe den Anspruch den Angestellten pro Jahr bis zu 104 Mails mit einer Größe von bis zu fünf Megabyte zukommen zu lassen. Außerdem begehrte sie einen eigenen Zugang zu Viva Engage und verlangte eine Verlinkung auf der Startseite des Intranets auf ihre eigene Homepage.

 

Rechte der Arbeitgeber und Arbeitnehmer überwiegen

Bereits in den Vorinstanzen war die IG BCE gescheitert. Auch vor dem BAG erlitt die Gewerkschaft eine Niederlage. Der Senat führte aus, dass Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes einer Gewerkschaft zwar grundsätzlich die Befugnis einräumt, betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu Werbezwecken zu nutzen. Bei der Ausgestaltung dieser Koalitionsbetätigungsfreiheit seien allerdings auch die Grundrechte der Arbeitgeber im Sinne der Artikel 12 Abs. 1 und 14 GG und Arbeitnehmer aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Ein Gericht müsse diese im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich bringen, und zwar in der Form, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. In dem Sinne bleibt es aber laut BAG bei der Option, dass eine Gewerkschaft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse fragt. Selbst die reine Duldung der Nutzung ist demnach schon zu viel verlangt: Die mit dem Leistungs- und Duldungsverlangen jeweils einhergehenden Belastungen hier konkret von Adidas beeinträchtigen den Betrieb erheblich in seiner verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und begründen – schon jeweils für sich genommen – ein überwiegendes Schutzbedürfnis gegen eine solche Inanspruchnahme, so das BAG. Damit war klar, dass auch der Zugang zu Viva Engage nicht infrage kommt, die Beeinträchtigungen übersteigen erst recht das Interesse der Gewerkschaften an Mitgliederwerbung. Nicht einmal mit dem Begehr der Verlinkung auf ihre Webseite hatte die IG BCE Erfolg. Diesbezüglich fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, es handelt sich laut BAG um eine planwidrige Gesetzeslücke. Es ist gut möglich, dass der Gesetzgeber hier eine Regelung erlassen wird.       

 

Copyright Bild: Thanks to Serhat Beyazkaya on Unsplash

Beitrag von Alexander Pradka

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