Geklagt hatte eine Betroffene, die seit rund 30 Jahren bei Daimler beziehungsweise Daimler Truck arbeitet, davon 15 Jahre als Abteilungsleiterin. Sie hatte moniert, dass ein männlicher Kollege auf der gleichen Hierarchiestufe und mit gleichwertigen Aufgaben betraut deutlich mehr verdiente als sie selbst. Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht hatte sie teilweise Erfolg gehabt. Allerdings blieb der Entschädigungsanspruch deutlich hinter dem zurück, was sie eingefordert hatte. Das Landesarbeitsgericht zog für seine Entscheidung den Vergleich zwischen zwei Gruppen – Männer auf der gleichen Hierarchiestufe mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit und Frauen auf der gleichen Hierarchiestufe mit der gleichen oder gleichwertigen Arbeit – heran und verglich den Median. Das ist nicht etwa der Durchschnittswert in der gleichen Gruppe, sondern das Gehalt der Person, die in der Mitte der Gruppe steht. Deshalb zog die leitende Angestellte von Daimler Truck vor das Bundesarbeitsgericht.
Vermutungswirkung unterschiedlicher Gehälter
Dieses bekräftigte, dass die Vermutung für eine Geschlechterbenachteiligung vorliegt, wenn eine Arbeitnehmerin auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit klagt und ihr Entgelt geringer ist als das eines männlichen Kollegen, der die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet. Das Bundesarbeitsgericht erklärt damit den Paarvergleich für zulässig. Die Größe der männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe der Medianentgelte beider Geschlechtergruppen ist für das Eingreifen der Vermutungswirkung ohne Bedeutung. Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin ist verpflichtet, diese Vermutung mit hinreichenden Beweisen zu widerlegen, um sich dem Anspruch erfolgreich zu entziehen. Das Bundesarbeitsgericht führt weiter aus, dass es bei einer Entgeltgleichheitsklage entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts keiner überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung bedarf, es genügt, wenn die klagende Arbeitnehmerin darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass ihr Arbeitgeber einem anderen Kollegen, der die gleiche oder gleichwertige Arbeit leistet, ein höheres Entgelt zahlt. Im vorliegenden Fall genügte es, auf Angaben in einem Dashboard zu den Gehältern zu verweisen. Daimler Truck behauptete im Verfahren, dass die Qualität der Arbeit der leitenden Angestellten nicht der der Vergleichsperson entspreche. Die Rechtsanwältin der Klägerin wies allerdings darauf hin, dass ihre Bewertungen im internen Feedbacksystem immer gut bis sehr gut ausgefallen waren und erst auf ihre Klage hin eine andere Beurteilung zum Tragen gekommen sei.
Neues Entgelttransparenzgesetz in Deutschland
Das Bundesarbeitsgericht sieht sich bei seiner Entscheidung im Einklang mit dem Unionsrecht. Die Rechtsprechung des Gerichthofes der Europäischen Union gebe vor, dass ein Arbeitgeber oder eine Arbeitgeberin zur Zahlung des Entgelts verpflichtet ist, das er dem zum Vergleich herangezogenen Kollegen gezahlt hat, wenn er die aus einem Paarvergleich folgende Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht widerlegen kann. Die EU hat mit ihrer Entgelttransparenzrichtlinie wichtige Veränderungen vorgenommen, die es Arbeitgebenden künftig schwer machen, unterschiedliche Gehälter an Angestellte auf gleicher Hierarchieebene und mit gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit zu vereinbaren. Unternehmen müssen ihre Entgeltsysteme transparent und nachvollziehbar machen, es gibt deutlich stärkere Auskunftsrechte für Mitarbeitende; sogar Bewerberinnen und Bewerbern gegenüber müssen klare Angaben zu den Entgelten im Unternehmen gemacht werden. Der deutsche Gesetzgeber hat bis 2026 Zeit, die Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen.
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