Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat damit die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Flensburg bestätigt. Eine als Pflegehilfskraft beschäftigte Arbeitnehmerin hatte sich am Unterarm tätowieren lassen. Ein mittlerweile üblicher Fall, immer mehr Menschen sehen die körperliche Verzierung als Ausdruck ihrer Persönlichkeit an. Mittlerweile akzeptieren auch immer mehr Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, wenn sich Mitarbeitende tätowieren lassen. Was passieren kann: Die Stelle am Unterarm entzündete sich und die Pflegehilfskraft war mehrere Tage krankgeschrieben. Die Arbeitgeberin lehnte für diese Zeit die Entgeltfortzahlung ab. Auf dem Klageweg versuchte die Angestellte, an den Arbeitslohn zu kommen. Sie treffe kein Verschulden, in ihrem Falle habe sich das in einem bis fünf Prozent der Fälle bestehende Risiko realisiert, dass sich die Haut in Folge des Tätowierungsvorgangs entzünde. Tätowierungen seien Teil der privaten Lebensführung und mittlerweile weit verbreitet. Die Arbeitgeberin argumentierte, dass die Pflegehilfskraft in eine Körperverletzung eingewilligt habe, das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre daher nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne insofern nicht dem Arbeitgeber aufgebürdet werden.
Grober Verstoß gegen Gesundheitsinteresse
Die Gerichte entschieden gegen die Pflegehilfskraft. § 3 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes sieht vor, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung gehindert wird – sofern ihn kein Verschulden an der Situation trifft. Genau dieses Verschulden sehen die Gerichte aber als gegeben an. Ein Arbeitnehmer handele immer dann schuldhaft, wenn er in erheblichem Maß gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Jemand, der sich tätowieren lasse, müsse damit rechnen, dass sich die tätowierte Stelle entzündet. Das Verhalten stellt laut LAG Schleswig-Holstein einen „groben Verstoß gegen das eigene Gesundheitsinteresse“ dar. Die Gefahr, dass sich die Haut entzündet, stelle keine völlig fernliegende Komplikation dar. Diese Komplikation sei außerdem in der Hautverletzung selbst angelegt. Das LAG zieht auch einen Vergleich zu Medikamenten: Dort sei eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn sie in mehr als einem Prozent, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftrete.
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