Die Stimmung im Melià-Hotel nahe der Messe in Frankfurt am Main war durchweg gut am 2. und 3. Juni unter den Kolleginnen und Kollegen aus den Rechtsabteilungen in Unternehmen, aus Sozietäten und von den Anbietern juristischer Dienstleistungen und Legal Tech. Das betrifft sowohl den Vorabend zur eigentlichen Veranstaltung wie auch die Konferenz selbst mit ihren 22 Einzel-Acts und den Gala-Abend mit Dinner als krönendem Abschluss. Es war neuerlich ein bunter Mix aus den „großen Themen“, die aktuell wahrscheinlich alle Juristinnen und Juristen beschäftigen, und den etwas kleineren, detaillierteren Gesichtspunkten, die bestimmte Bereiche der Legal Departments und Kanzleien betreffen. Nach wie vor bilden die geopolitischen und geoökonomischen Entwicklungen Leitplanken, die alles andere als fest verankert sind, sondern nur rudimentär Sicherheit im täglichen unternehmerischen Agieren bieten. Insbesondere die Unvorhersehbarkeit dessen, was in naher Zukunft noch auf uns zukommt, macht gerade den strategischen Teil der Arbeit in den Rechtsabteilungen enorm schwierig. Der russische Angriffskrieg hält weiter an und die Welt in Atem, die zumindest etwas undurchsichtige Rolle Chinas mit zusätzlichem Eskalationspotenzial verursacht schon geraume Zeit sorgenvolle Blicke gen Osten. Und nun ist auch noch der Blick nach Westen getrübt und das doch recht klar definierten Verhältnis mit einem wichtigen Handelspartner ist einer Ungewissheit gewichen, wie es in der deutsch-amerikanischen Partnerschaft weitergeht. Was machen wir mit den Handelssanktionen und Exportkontrollen? Wie stellen wir uns angesichts der vielfältigen Fragestellungen mit unserer Abteilung überhaupt auf? General Counsel und Chief Compliance Officer müssen hier gemeinsam mit ihren Teams kühlen Kopf bewahren und sich als umsichtige Lenkerinnen und Lenker profilieren. Zunehmend schlüpfen sie in diesem Zusammenhang, aber auch unter anderen Aspekten, in die Rolle des Risikomanagers. Diese Aspekte können ganz unterschiedlicher Natur sein, sei es im Zusammenhang mit der Cybersecurity, sei es im Zusammenhang mit internen Risikofeldern, in denen mehr oder weniger schwer wiegende Verstöße einzelner Mitarbeiter für ernste Probleme sorgen können, sei es im Zusammenhang mit der Produktcompliance – dem, was ein Unternehmen produziert oder als Dienstleistung anbietet, können Risiken innewohnen und die Leiter der Rechtsabteilungen sind hier stets bei der Ausarbeitung von Lösungen involviert, selbst wenn sie nicht immer „im Lead“ sind. Die Gesetzgeber auf nationaler und europäischer Ebene reagieren auf die unterschiedlichen Strömungen auf dem Weltparkett, aber auch auf die Veränderungen innerhalb der Gesellschaft. Die Folge ist eine wahre Regulierungsflut. Fast immer lassen sich Verordnungen, Richtlinien und Gesetze unter das Motto „gut gemeint“ subsumieren – bei den meisten Vorhaben und Maßnahmen lautete so auch das Credo der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der RUJK, dass genau diese Themen adressiert werden müssen und einer Regelung bedürfen. Leider ist „gut gemeint“ nicht immer, oder sollte es hier vielleicht besser heißen, allzu selten, „gut gemacht“. Es fehlt in vielen Fällen schlicht die Praxisorientierung auf Seiten der Gesetzgeber. Wobei es auf die mehrfach gestellte Frage, warum die Arbeit in den Branchenverbänden nicht mehr bringt, warum offenbar auch die gutachterlichen Stellungnahmen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages wenig Effekt erzielen, keine befriedigende Antwort gefunden werden konnte. Was bleibt, ist der notwendige Umgang der Heads of Legal und ihren Teams sowie aller Kanzleijuristinnen und -juristen mit der Regulierungswelle. Hier schlüpfen sie in die Rolle des „Übersetzers“, desjenigen, der die Werke zuerst auf dem Schreibtisch liegen hat und die richtigen Schlüsse für das eigene Unternehmen oder die Mandanten ziehen muss und diese in Form ebenso fordernder wie fördernder Rechtsberatung an die richtigen Stellen transportieren muss. Das ist alles andere als trivial und die RUJK war eine gerne beobachtete und betretene Bühne, um „Best-Practice“-Ansätze auszutauschen und zu diskutieren. Es ist der rechte Ort, um das „Wie macht Ihr das eigentlich?“ zu besprechen und die besten Anregungen und Tipps mit zurück in das eigene Legal-Department zu nehmen.
RUJK: Auch „Plattform der Begegnung“
Zu den „großen“ Themen zählt seit geraumer Zeit der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Rechtswesen. Davon zeugt auch die große Zahl an Vorträgen, Breakout-Sessions und nicht zuletzt die Paneldiskussion am Ende des rein professionellen Teils der RUJK in Frankfurt in diesem Jahr. Ansätze gibt es reichlich. Auch da ist zunächst der Regulierungsaspekt: Was sagt uns die KI-VO der Europäischen Union? Wo sind wir mit unserem Unternehmen einzuordnen, welche Verpflichtungen ergeben sich daraus? Auch hier ist aber wieder die Rolle als Risikomanager beziehungsweise -managerin gefragt: Welche Risiken lassen sich identifizieren, wie lassen sie sich einordnen, bewerten und managen? Daran schließen sich ganz praktische Fragen an: Wo kann KI uns in der Rechtsabteilung schon heute unterstützen, wo lassen sich Effizienzsteigerungen realisieren? Letzteres – und auch das kam im Rahmen der RUJK immer wieder zur Sprache – ist angesichts nicht steigender oder gar sinkender Budgets bei gleichzeitig zunehmenden Herausforderungen und Problemstellungen ein sehr entscheidender Gesichtspunkt. Im Ergebnis sind maßgeschneiderte Lösungen gefragt, die sich inhaltlich, organisatorisch und technisch ohne Reibungsverluste in das konkrete Unternehmensgeschehen einbetten lassen. Das wiederum ist eine große Herausforderung für die Anbieter von Technik und Dienstleistung. Die RUJK ist eine Plattform der Begegnung, wo genau das zwischen den Marktteilnehmern ausgelotet wird. Regulierung bedeutete zuletzt fast ausnahmslos auch neue Gefahren im Hinblick auf Verstöße. Und auch da haben die Heads of Legal mit ihren Abteilungen eine wichtige Aufgabe: Prävention, Maßnahmen etablieren und adressieren, um diese Gefahren im Keim zu ersticken. Der Aufbau entsprechender Prozesse, der lebendige Austausch mit der jeweiligen Geschäftsleitung und vor allem auch mit den betroffenen Fachabteilungen entpuppt sich mehr und mehr als eine der wesentlichen Kernaufgaben von In-house-Juristinnen und -juristen. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob Prävention den Bereich Datenschutz, Kartellrecht, ESG oder generell die Compliance im Unternehmen betrifft, wichtig ist die Auseinandersetzung und die für das Unternehmen passende Umsetzung von rechtskonformem Verhalten. Was nicht heißt, keinen Plan dafür vorzuhalten, wenn doch einmal „etwas schiefgeht“ im Unternehmen und dieses in den Fokus von Ermittlungen der Behörden gerät. Hier muss dann der richtige Umgang mit den Behörden, mit den externen Beraterinnen und Beratern sowie mit den ins Visier geratenen Angestellten gelingen, sei aus in der direkten Auseinandersetzung mit den Ermittlern oder auch – zumindest zunächst – im Wege eigener interner Ermittlungen. Verhandlungskompetenz aufbauen lautet da das Stichwort, und die gehört zu den wichtigen Soft Skills, die General Counsel und Chief Compliance Officer heute mitbringen müssen. Apropos Verhandlungskompetenz: Im Falle der Vergütung könnte die bald nicht mehr ganz so wichtig sein. Thema der RUJK war auch der Gender Pay Gap. Mit ihrer Entgelttransparaenzrichtlinie der EU könnte da der Paradigmenwechsel eingeläutet sein. Auch sie sieht Geldbußen bei Verstößen vor – wo wir wieder bei der Prävention wären.
■ Alexander Pradka
