Aufsichtsrat muss bei Übernahmeangebot satzungsgemäße Stärke haben § 104 des deutschen Aktiengesetzes regelt die Vorgehensweise für den Fall, dass der Aufsichtsrat nicht die zur Beschlussfähigkeit nötige Anzahl von Mitgliedern aufweist. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte jetzt einen Sonderfall zu klären und äußerte sich zum Thema „dringender Fall“. Dann ist nämlich der Aufsichtsrat auch vor Ablauf der Dreimonatsfrist per gerichtlicher Bestellung auf die satzungsmäßig vorgesehene Zahl zu ergänzen.
Die außerordentliche Hauptversammlung einer in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden ansässigen und börsennotierten Bank hat Anfang Dezember des Vorjahres dazu geführt, dass drei Mitglieder des drittelparitätisch mitbestimmten Aufsichtsrats abgewählt worden sind. Eine vorgeschlagene Neuwahl scheiterte. Statt satzungsgemäß aus zwölf bestand der Aufsichtsrat daher nur mehr aus neun Mitgliedern. Der Bank liegt ein Übernahmeangebot vor.
Widerstreitende Interessen
Wie es das Gesetz vorsieht, beantragte der Aufsichtsratsvorsitzende beim Amtsgericht in Wiesbaden die gerichtliche Bestellung von drei konkret benannten Nachfolgern – versehen mit einer Befristung bis zur nächsten Hauptversammlung. Auch eine Minderheitsaktionärin stellte einen solchen Antrag, allerdings mit Nennung von drei anderen Personen. Das Amtsgericht wies mit der Begründung, dass kein dringender Fall vorläge, beide Anträge zurück.
„Typischerweise“ dringender Fall
Auf die gegen die Entscheidung eingelegte Beschwerde hin hat das OLG die drei vom Aufsichtsratsvorsitzenden vorgeschlagenen Aufsichtsräte bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung als Aufsichtsratsmitglieder bestellt. Laut Ansicht des Gerichts liegt ein dringender Fall vor, und der Aufsichtsrat sei deshalb gemäß § 104 Abs. 2 Satz 2 AktG schon vor Ablauf der Dreimonatsfrist auf die durch die Satzung festgelegte Zahl zu ergänzen. „Im Hinblick auf ein Übernahmeangebot ist es von entscheidender Bedeutung für die Bank, dass der Aufsichtsrat nicht nur beschlussfähig, sondern auch vollständig besetzt ist. Eine Übernahmesituation stellt typischerweise einen dringenden Fall dar.“
Auswahl im konkreten Fall
Der Senat führt weiter aus, dass die Auswahl der Personen sich an den Interessen der Bank zu orientieren habe. Insoweit fällt dem Vorschlag des Aufsichtsratsvorsitzenden – dem übrigens die anderen neun Aufsichtsratsmitglieder zustimmen – „entscheidendes Gewicht“ zu. Die drei von der Minderheitsaktionärin benannten Personen könnten sich nicht dieser breiten Zustimmung erfreuen und sind von der Hauptversammlung auch gerade nicht gewählt worden.
(OLG Frankfurt am Main, Az. 20 W 5/22, 20 W 9/22)Bildnachweise: © Unsplash/Benjamin Child
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